Ein Leserbeitrag von Yann.
Akt I
Eigentlich ist Landau bei der Wahl meines Studienortes keine wirkliche Option gewesen. Im September 2011 hatte ich mich in Mannheim eingeschrieben und wartete noch auf die Zulassung der Uni Heidelberg. Aber als meine damalige Partnerin lediglich eine Zusage für das Psychologiestudium in Landau bekam, siegten Bauchgefühl und Liebe und ich schrieb mich kurz vor Schluss noch in Landau ein. Zwei Wochen später kam die Zusage im Nachrückverfahren in Heidelberg, der Kopf trauerte der verpassten Chance hinterher, der Bauch aber war immer noch voller Schmetterlinge – also alles gut.
Das erste Jahr wohnte ich in einer 17-köpfigen WG in Siebeldingen (Der Landauer Wohnungsmarkt, so scheiße wie eh und je – Danke für nichts, liebe Kommunalpolitik) und hin und wieder saßen Menschen an unserem Küchentisch, die im Fatal arbeiteten, zeitweise auch eine meiner Mitbewohnerinnen. Bis auf ein paar kurze Besuche im muffigen Keller und ein bis zwei Konzerte kam ich aber nicht weiter in den Kontakt mit dem Laden. Auch wenn mich die langweilig-spießbürgerliche Stimmung in den Dörfern meiner Jugend immer wieder dazu reizte, so richtig politisch engagieren wollte ich mich nicht. Dieses anrüchige Politische war es aber, was man am häufigsten am Campus über das Fatal sagte und so blieb ich auf gleichgültiger Distanz.
Im dritten Semester allerdings spülten mich Neugier und einige glückliche Fügungen in das Amt des AStA-Vorsitzes am Campus. Überfordernd viele neue Aufgaben und Ansprüche überkamen mich und das Fatal rückte (ich war mittlerweile nach Landau gezogen) räumlich und inhaltlich wieder näher an mich heran. Doch in den ersten vier Monaten vor allem als Teil des Organisationsaufwandes der Atriumsfete und gelegentlich als im StuPa Anträge stellende Gruppe.
Im Oktober 2013 erfuhr ich dann allerdings bei der Fahrt zu einem Termin in der Stadt von einer AStA-Referentin, dass das Fatal aus Brandschutzgründen geschlossen werden sollte. Zum ersten Mal begab ich mich auf das Plenum und traf auf eine vollkommen heterogene Gruppe ca. 30 aufgebrachter und aktionswilliger Menschen, die in einer langen Diskussion auf verschiedenste Arten zum Ausdruck brachten, dass der Erhalt des Ladens ihr einstimmiger Wille war. Der Fortbestand der Unikneipe war mir schon von Amts wegen wichtig, aber beeindruckt von der Hingabe an das von mir eher als schmuddelig und heruntergekommen empfundene Kellerloch sagte ich kurzentschlossen auch noch zu bei den anstehenden Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten mitzuhelfen.
Akt II
In den kommenden Tagen und Nächten kratzte ich mit Aceton und Spachtel Sticker von den Wänden der Toiletten, half bei der Entkernung des Thekenbodens und beim Anstreichen der Wände. Zeitgleich versuchte wir mit dem AStA in Verhandlungen mit dem Landesbetrieb LBB (dem der Campus „gehört“), der Uni und dem Studierendenwerk eine Lösung zu verhandeln und notwendige Baumaßnahmen die in der Verantwortung des LBB lagen zu erzwingen – vergeblich. Der LBB stritt jegliche Verantwortung ab und das Fatal finanzierte die fälligen Kosten durch Soli-Partys, geringfügig zusätzliche Gelder der Studierendenschaft und vor allem viel Arbeit selbst. Und ich beschloss, kurz nach der Wiedereröffnung im Februar 2014 dem Fatal beizutreten.
Es klingt verdammt pathetisch, aber das gemeinsame Festhalten am Fatal, gegen alle institutionellen Widerstände und die gemeinsame Zeit bei den Arbeiten am Laden hatten mich mit Menschen zusammengebracht, die ich, ohne es bemerkt zu haben, zuvor in meinem Leben vermisst hatte. Menschen die sich, obwohl sie unterschiedliche Ansichten und Lebensläufe hatten eine Basis fanden die unumgänglichen Widersprüche auszuhalten und dabei ein bisschen wie eine große Familie wirkten. Und mir ganz nebenbei die unterschiedlichsten politischen Ansichten näherbrachten, die Mensch sich im Umgang mit der Gesellschaft so zulegen kann.
Ich werde nie die Thekenschichten vergessen, bei denen wir zu sechst von 20 Uhr abends bis 4 Uhr morgens auf dreieinhalb Quadratmetern bei lauter Musik Bier und Schnäpse ausschenkten, uns selbst betranken, um 2 Uhr plötzlich alle auf der Theke tanzten und um vier Uhr morgens dann die Kasse fünfmal zählten – und trotzdem am nächsten Tag lieber nochmal nachzählten. Oder wie wir manchmal nach Kneipenschluss noch ein wenig ins Diskutieren gerieten, dann bei Bier und Zigaretten plötzlich die Zeit vergaßen und, überrascht vom unerwarteten Sonnenschein, völlig verdattert um 9 Uhr Morgens aus dem Laden purzelten, mitten im quirligen Treiben auf dem Campus. Unfassbar intensiv erschien auch das Wiedersehen mit all den bekannten Gesichtern nach den zweieinhalbwöchigen Winterferien, wenn sich dann alle Anfang Januar wieder zur ersten Kneipe oder Party des Jahres zusammen fanden. Ich verliebte mich im Fatal und ich verarbeitete Liebeskummer mit Menschen die auch einfach mal nur da waren und mit einem ein Bier tranken und zuhörten, obwohl man sich außerhalb des Fatals kaum begegnete. Das Fatal wurde damals zum Mittelpunkt meines Lebens in Landau.
Akt III
Mit dem Ende meiner Zeit im AStA musste ich allerdings auch mein Studium langsam aber sicher zu Ende bringen. Mangels vermögender Eltern und infolge meines fortschreitenden Alters waren dazu teilweise bis zu drei Jobs gleichzeitig nötig und die Zeit, die ich dem Fatal widmen konnte, wurde knapp. Noch dazu hatten einige der Menschen, mit denen ich viel und intensiv Zeit im Fatal verbracht hatte, mittlerweile das Studium beendet und Landau verlassen oder hatten sich ebenfalls aus Zeitgründen etwas zurückgezogen. Nichtsdestotrotz konnte ich mich nicht ohne weiteres abnabeln und erlebte nun teilweise auch Enttäuschungen mit einem Fatal, dass ich zunehmend auch als etwas mir teilweise Fremdes und doch irgendwie Vertrautes wahrnehmen musste. Als es mich schließlich im letzten Oktober nach Jena verschlug, wo ich mein Masterstudium aufnahm, war ich fast ein wenig erleichtert, dass meine Zeit im Fatal zu Ende ging und ich nun zum Abschluss gezwungen war.
Gleichzeitig merkte ich aber auch, wie wichtig mir die, nach wie vor bestehenden, Freundschaften aus dieser Zeit sind. Jedes mal wenn ich Landau besuche verschlägt es mich mindestens einen Abend ins Fatal und ich kann mit der aktuellen Distanz erst vollkommen nachvollziehen wie wichtig dieser Laden für mich war und ist.
Und jetzt wo ich so weit vom Fatal entfernt bin wie seit 6 Jahren nicht mehr, jetzt kommt eine Kündigung der Räumlichkeiten exakt innerhalb der nötigen Frist ins Haus geflattert. Und ich bin auf einmal wieder mitten drin. In erster Linie nicht einmal, weil ich hier nach wie vor hin und wieder ein Bierchen trinken und in Erinnerungen schwelgen möchte, nein. Es geht mir vor allem um die Leute, die jetzt gerade die gleichen Erfahrungen wie ich im Fatal machen und diejenigen, die sie noch machen werden. Ich werde alles in meiner Kraft stehende daran setzen den wichtigsten Bezugsort meiner 20er zu erhalten und meine Geschichte ist nur eine von unheimlich vielen in der über 30-jährigen Geschichte des Fatals. Da draußen sind unzählige Menschen, die das Fatal auf Ihre Art und Weise erlebt haben und davon geprägt wurden und zahllose Künstler*innen, die sich liebevoll an das kleine Kellerloch erinnern in dem sie einmal Konzerte gespielt haben und ich hoffe und glaube, dass diese Menschen sich ebenso daran erinnern werden, was das Fatal Ihnen bedeutet hat und bedeutet. Landau ohne das Fatal ist nur ein seelenloser Ort in der kulturellen Einöde der Provinz und ich glaube wir werden in den kommenden Tagen und Wochen noch viele weitere Geschichten hören, die das verdeutlichen. Gerne könnt Ihr diese auch auf der facebook-Seite des Fatals loswerden, ich glaube jeder im Laden kann jetzt gerade eine schöne Geschichte gebrauchen.
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