Fleischindustrie.

Symbolbild: Fleisch und Wurst wachsen nicht an Bäumen.

Fleischverzicht ist für viele mittlerweile normal – immer mehr entscheiden sich bewusst für eine vegetarische oder vegane Ernährung. Das hat verschiedene Gründe: Mitleid mit den Tieren, Sorge vor Antibiotika im Fleisch und derlei Horrorgeschichten und auch klimatechnische Überlegungen, die Auswirkungen der Massentierhaltung und so weiter: das sind vermutlich so die typischen Gründe, wegen derer Leute auf Fleisch verzichten. Womit man sich seltener beschäftigt, wohl auch, weil die mediale Berichterstattung spärlicher ist, sind die Implikationen der Industrie für diejenigen, welche dort arbeiten. Man weiß, dass Menschen immer schon Fleisch produziert und gegessen haben. Wenn man sich die Geschichte anschaut sieht man allerdings, dass sich die Art und Weise der Haltung, Schlachtung und Verarbeitung von Tieren drastisch verändert hat – und nicht unbedingt zum Positiven.

Die große Veränderung – im Sinne von Vereinfachung – brachten vor allem die Schlachthäuser. Ursprünglich war das Schlachthaus ein Schritt, um die Ausbreitung von Keimen und Krankheiten zu stoppen, die sich als Folge von früher üblichen Hausschlachtungen in den dicht besiedelten Städten ausbreiteten. Schnell wurden aus den ersten Schlachthöfen jedoch regelrechte Fabriken, die im Akkord massenhaft Fleischprodukte herstellten. Die Effizienz der Schlachtungen in Kombination mit der Massenhaltung von immer mehr Tieren auf immer engerem Raum macht heute das Schlachten unzähliger Tiere pro Tag möglich. Das hat heute nicht nur eine unfassbare Einfachheit der Beschaffung von billigem Grillgut zur Folge, sondern auch den angenehmen Effekt, dass wir als Verbraucher*innen über den Vorgang der Schlachtung und all seine unschönen Details kaum etwas wissen. Jede*r weiß: Tier rein, Fleisch raus – aber die Abläufe im Inneren kennen die wenigsten. Obwohl Schlachthäuser also eigentlich gar nicht mit dem Hintergedanken entstanden, komfortabel die Augen vor dem Elend verschließen zu können, was erst geschehen muss, damit wir unser Steak genießen können, entfremden wir uns als Verbraucher*innen immer mehr vom Geschehen. Wer kann sich heute schon vorstellen, selbst ein Kalb zu schlachten, geschweige denn gleich mehrere dutzend, ohne davon Albträume zu bekommen? Oder, anders gefragt: Wer also schlachtet die Tiere, die wir essen? Wer verarbeitet sie? Eine Berufsgruppe voller Sadisten, denen es Freude bereitet, oder moralischer Indifferentisten, denen die blutige Arbeit vollkommen egal ist? Natürlich lautet die Antwort: Nein.

In deutschen Schlachthöfen arbeiten vor allem Menschen die den Job machen, weil sie wenig andere Perspektiven haben. Sie arbeiten lange und hart und häufig unter arbeitsrechtlich fragwürdigen Bedingungen. Sie stehen psychisch und physisch unter enormer Belastung, denn lange Arbeitszeiten, das tägliche Töten und auch die körperliche Beanspruchung machen die Arbeiter*innen nach und nach kaputt. Jeden Tag Tod und Schmerz zu sehen, zu riechen und zu hören verfolgt sie ständig, sie leiden unter Schlafstörungen und Depressionen und manche entwickeln psychische Beeinträchtigungen, weil sie sich als Täter*innen fühlen. In Interviews berichten sie von einem in den Gebäuden herrschenden unvergesslichen Geruch nach Tierkot und Eingeweiden und altem Blut, der sie auch nach Dienstschluss nicht loslässt. Ebenso wie die psychische, ist auch die körperliche Gesundheit der Schlachthofarbeiter*innen hohem Risiko ausgesetzt. Akuter Stress, Hektik, ständige Müdigkeit und Erschöpfung oder auch unzureichende Qualifizierung der Arbeiter*innen erhöhen das Unfallrisiko an den Maschinen. Schnitte, Prellungen oder Quetschungen sind die Folge. Oder die Tiere geraten in Panik, wehren sich, treten um sich. Man kann sich leicht vorstellen, wie wahnsinnig gefährlich es ist, neben einer panisch auskeilenden Kuh zu stehen, wenn man weiß, dass so eine Kuh gut und gerne eine Tonne Körpergewicht hat.

Wenn man an die negativen Folgen von Fleischkonsum denkt, fallen einem als erstes Massentierhaltung, Tierquälerei und Tierleiden ein, man denkt an den immensen Wasserverbrauch, die gerodeten Felder, die ganzen Methangase und vielleicht denkt man an die eigene Gesundheit. Was man sich viel seltener klarmacht, ist, dass auch Menschen in den Prozess der Fleischproduktion verwickelt sind, und mit welchem Grauen sie sich konfrontiert sehen. Auch wer nicht auf Fleisch verzichten möchte, sollte vielleicht ein bisschen darüber nachdenken, wie problembehaftet und verquer das System ist und wie skandalös, dass von dem ganzen Prozess am Ende nur jener profitiert, der sein günstiges Fleisch auf dem Teller hat, und dass dieser nicht einmal um das ganze Elend weiß, welches ihm das ermöglicht hat.

Wer noch ein bisschen mehr dazu lesen möchte, sollte sich „Confessions of a Slaughterhouse Worker“ anschauen, einen Artikel auf der Website der BBC, in dem sehr eindrücklich geschildert wird, was die tägliche stundenlange Konfrontation mit dem Schmerz, Leid, Elend und Tod im Menschen anrichten kann.

Bildquelle: pixabay.com

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