Es geht ihr um einen großen Gesamtzusammenhang, darum, wie Menschen einen Platz im Leben finden. Katrin Sommer, Jahrgang 1961, hat ihren Platz als Autorin gefunden. Wie sie dazu kam, was ihr Umfeld sagt und wie in diesem Jahr ihr erstes eigenes Buch mithilfe des Literarischen Vereins der Pfalz veröffentlicht wird, erzählt sie im Gespräch mit der La-Uni.
[La-Uni]: Liebe Katrin, wann hast Du angefangen zu schreiben?
[Katrin Sommer]: Vor zwei Jahren. Eigentlich hab‘ ich schon viel früher angefangen zu schreiben: In der Schule, für die Schulzeitung und so weiter, aber dann durch Studium und Beruf, Kinder und Familie hab‘ ich das sein lassen. Und jetzt habe ich wieder richtig angefangen.
Warum?
Weil’s der richtige Moment war, weil Zeit war, weil ich viel gedacht und erlebt habe. Und, ja, ich das Gefühl hatte, dem jetzt auch gewachsen zu sein, dem Schreiben – also eher. Das hört sich jetzt so großartig an…
…also gab es einen Anlass oder hast Du das dann einfach gespürt?
Es gab tatsächlich einen Anlass. Das war eine Veranstaltung vom Literarischen Verein der Pfalz, zu der ich gegangen bin und dachte: Das mach ich einfach auch! Das steckt an, was die machen.
„In meinen Geschichten
geht es auch oft darum,
einen Platz im Leben
zu finden.“
Der Literarische Verein der Pfalz ist ein gutes Stichwort. Seit wann bist Du Mitglied?
Noch kürzer als diese zwei Jahre, es kommt aber etwa so hin.
Jetzt darfst Du ja in diesem Jahr die Jahresgabe, ein Buch, das alle Mitglieder des Vereins einmal im Jahr bekommen, gestalten. Wie kam es denn dazu?
Ich glaube, es kam dazu, weil der Verein sich bemüht, Menschen zu fördern, die sich ernsthaft mit dem Schreiben auseinandersetzen. Er sucht nach Menschen, die weiter gefördert werden können, um diesen einen Anstoß zu geben, ihnen zu sagen: „Wir machen dein Buch und wir geben dir diesen Rahmen. Möchtest du diese Herausforderung annehmen?“
Und dann hab‘ ich das gern gemacht. Mich hat Birgit Heid, die Vorsitzende, angesprochen, ob ich das machen würde. Und ja, dann war das wohl Konsens. Ich kann Dir noch nicht einmal sagen, wer das alles entschlossen hat. Im letzten Jahr war die Jahresgabe ein Gedichtband, in dem ich auch vertreten war.
Die Jahresgabe wird in diesem Jahr ausschließlich von Dir stammen. Von welcher Art wird der Text im Buch sein: Sind es Erzählungen, Gedichte, ist es ein Roman?
Es sind 15 unterschiedlich lange Erzählung darin: Von ganz kurzen, etwa eine Seite langen bis zu welchen, die über 30 Seiten lang sind. Und es sind 17 Gedichte drin, die ich zwischenrein gestreut habe.
Gibt es ein übergeordnetes Thema?
Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Aber erst im Nachhinein, muss ich zugeben. Ich finde, dass mein Thema immer „Verbindungen“ ist, ein Verflochtensein im System: Wie hängt was mit wem und warum zusammen? Ich bin ja auch systemische Familientherapeutin und ich glaube, das liegt dann in der Natur der Sache, dass ich das, was ich in den Therapien mache, auch in meinen Texten mache. Mich auf Spurensuche begebe und Verbindungen suche: Wie könnte es dazu kommen? Meine Figuren und ihre Beziehungen sind, finde ich, nicht zufällig so, wie sie sind.
In meinen Geschichten geht es auch oft darum, einen Platz im Leben zu finden. Das habe ich auch oft festgestellt. Ich gucke oft, wer hat welchen Platz im Leben und wer findet welchen Platz im Leben. Das ist für mich noch ein wichtiges Thema.
Wird es das Buch auch außerhalb des Vereins zu kaufen geben?
Ja. Es wird im Wellhöfer Verlag in Mannheim erscheinen und ist dann ganz normal mit einer ISBN-Nummer zu kaufen.
Willst oder darfst Du den Titel schon verraten?
Mein favorisierter Titel, wenn ihn der Verlag denn so annimmt, lautet: „Das Gewicht von Badeschaum“. Aber noch ist nichts gedruckt, es könnte also noch Einwände vom Verlag geben. Ich hoffe, dass Sie das annehmen.
– Katrin Sommer im Interview
„Manchmal verabschiedet man
sich von einigen Menschen etwas,
ohne es wirklich zu wollen,
und trifft neue,
die diese Interessen teilen.“
© Katrin Sommer
Hast Du eine Schreibroutine?
Schreiben hat viel mit Disziplin zu tun. Mir war vorher gar nicht bewusst, wie viel Arbeit das auch ist. Ich versuche jeden Tag zu schreiben. Manchmal nicht viel, manchmal sind es wirklich nur ein paar Sätze, dann gibt’s wieder so Tage, da fließt ganz viel, aber auch Unbedachtes: Ich nenne das immer Kotzversion. Das ist, wenn ganz viel auf einmal kommt. Hinterher muss ich sehr heftig kürzen, sehr heftig verändern, aber ich hab vorher den Eindruck, es ist wichtig, es aufzuschreiben und danach wieder in die Form zu gehen.
Und ich habe verschiedene Zugänge: Manchmal gehe ich so an Texte, indem ich mir einen Plan mache, also eine Struktur habe, auch die Handlung feststeht, die Figuren, der Raum oder die Räume – und ich fülle das mit Leben. Es gibt aber auch Texte, die entstehen einfach ohne Plan. Die entwickeln sich von selbst. Auch in den planvollen Texten gibt es Momente, in denen eine Eigendynamik entsteht, es sich verselbständigt, in denen ich dann gar nicht weiß, wie ich darauf dann gekommen bin.
Woher ziehst Du deine Inspiration?
Tatsächlich laufen die Menschen, mit denen ich zu tun habe, Gefahr, irgendwann in meinen Geschichten aufzutauchen. Das kann schon passieren. Ich würde auch sagen, dass vieles autobiografisch ist. Immer wieder auch Anregung aus der Literatur. Oder manchmal ist es so, dass ich die Süddeutsche Zeitung oder so lese und es ist ein Artikel, bei dem ich mir denke, dass das doch nicht wahr sein kann, was ich da gerade lese, sodass ich dann was dazu schreiben muss.
Wenn Du sagst, dass Menschen, mit denen Du zu tun hast, in deinem Schreiben auftauchen, was sagt dann Dein soziales Umfeld zum Schreiben? Wie haben Familie, Freunde, Bekannte darauf reagiert, als Du gesagt hast, dass du Gedichte und Erzählungen schreibst?
Ich freue mich über diese Frage. Die hätte ich vor einem Jahr noch überhaupt nicht beachtet und hab sie mir aber in letzter Zeit auch einige Male gestellt, weil das Schreiben doch mehr Raum einnimmt als man glaubt.
Es sind wirklich, kann man sagen, täglich zwei Stunden, wenn nicht drei manchmal, in denen ich natürlich fehle. Und es haben sich auch schon Freunde beschwert, die dann gefragt haben, was ich da die ganze Zeit schreiben würde. Meine Familie freut sich überwiegend, weil sie es schön findet, dass ich da Freude dran habe. Manchmal sind sie auch ein bisschen genervt, weil ich auch verärgert bin, dass es nicht weitergeht, oder ich unzufrieden bin oder ich ihre Hilfe in Anspruch nehme.
Es ist auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Manche sind überrascht und ich denke, dass ich auch einige neue Leute durch das Schreiben kennenlerne: Manchmal verabschiedet man sich von einigen Menschen etwas, ohne es wirklich zu wollen, und trifft neue, die diese Interessen teilen.
Grundsätzlich würdest Du aber sagen, dass es gut aufgenommen wird? Wirst Du als Autorin ernst genommen?
Na ja, wenn es so auf Kosten eines häufigen Treffens geht, kann das schon zu Schwierigkeiten führen. Das habe ich schon gemerkt. Es ist auch etwas Egoistisches, das Schreiben. Man ist ja sehr auf sich geworfen, da hat ja niemand Platz in dem Moment. Das ist nicht so sozial, wie ich vielleicht sonst in meinem Leben bin.
Aber ich habe mehr eine positive Überraschung als Reaktion: „Das gefällt mir, was Du schreibst“ oder „Das ist interessant“ oder „Das hätte ich gar nicht gedacht, dass Du so viel schreibst“. Also Neugier und Interesse schlägt mir eigentlich entgegen.
„Es ist auch
etwas Egoistisches,
das Schreiben.“
Was ist Dein Lieblingsbuch?
Mein Lieblingsbuch, das ist „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky, weil es Herzenswärme hat, einen guten Plot, gleichzeitig Tiefgang und Humor und man immer wieder noch eine tolle Formulierung entdeckt, bei der man einfach die Wärme im Bauch spürt. Das finde ich ein wunderbares Buch.Eines der anspruchsvollsten und auch genialsten Bücher ist „Die Zimtläden“ von Bruno Schulz. Das ist weniger bekannt. Aber es ist wirklich ein tolles Buch, voller Worterfindung, sehr kreativ. Unglaubliches Buch, ist schon ziemlich alt. Die Erstausgabe wurde 1934 in Warschau gedruckt. Inzwischen liegt eine sehr gute Übersetzung vor.
Auf welchen deiner Texte bist Du besonders stolz?
Ach du meine Güte! Das ist ja besonders schwer für mich zu sagen, was mir besonders gut gelungen ist.
Hm, zum Beispiel „Das Blatt der Flatterulmen“ ist eine für mich runde Geschichte. Ob ich jetzt alles darin wunderbar finde, sei mal dahingestellt…
Oder ich habe – das ist auch in dem Buch – so ganz kurz: „Das Sonntagsgefühl“. Das beschreibt einfach das Gefühl, wenn Sonntag ist, wenn das normale Leben stattfindet und sonntags irgendwie nichts. Und dass es auch mal erlaubt ist, dass nichts stattfindet. Mir hat es Spaß gemacht, das zu beschreiben.
Katrin Sommer wird am 15. August um 16 Uhr im Rahmen einer Lesung des Literarischen Vereins der Pfalz in der protestantischen Matthäuskirchengemeinde auf der Wollmesheimer Höhe bei Landau lesen.
Bereits erschienen von Katrin Sommer:
Lyrik
„Verirrt“, „Abendstimmung“, „Die Dinge passieren“, „Selbsturbanisierung“, „Die Zeit“, „Der Sommer“, „Tautropfen“
(in: Vom Klang der Welten und Zeiten; Hrsg. Literarischer Verein der Pfalz, 2019 Wellhöfer Verlag, Mannheim)
Prosa
„Frühling“
(in: Neue Literarische Pfalz Nr. 46, 2020 Literarischer Verein der Pfalz)
Die Serie „Schreibende Menschen“ möchte unterschiedlichste Menschen vorstellen, die Unterschiedlichstes auszudrücken versuchten oder versuchen. Gemeinsam ist ihnen dabei immer eines: Das Medium der Sprache. Es sollen Autorinnen und Autoren vorgestellt werden – lebende, tote, bekannte und weniger bekannte. Mal auf diese, mal auf jene Art und Weise.
Bildquellen: pixabay.com und Katrin Sommer
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