Bewerbungen via Videoanruf, Kaffeepausen in „video-rooms“ – Willkommen in der neuen, digitalen Arbeitswelt: Homeoffice! Sandra Klaus, HR Managerin bei CodeWrights in Karlsruhe gibt uns spannende, bildhafte Eindrücke in das Arbeitsleben einer modernen Firma, die alle Chancen nutzt, um aus dem Homeoffice das Beste rauszuholen! Außerdem erzählt uns die berufstätige Mutter, wie sie Arbeit und Kind unter einen Hut bekommt.
[LA-UNI]: Hallo Sandra, ich begrüße dich ganz herzlich zum Interview und freue mich, dass du uns etwas über dich und deine Firma erzählst. Es ist immer wieder interessant, die realen Erfahrungen des Arbeitens von Zuhause aus zu hören.
Also, wer oder was seid ihr als Firma und wofür steht CodeWrights?
[SANDRA] Unsere Firma, CodeWrights, heißt übersetzt so viel wie Code-Schmiede/ Code-Macher. Gegründet wurden wir 2002 von zwei großen Konzernen: Pepperl+Fuchs und Endress+Hauser.
Aktuell sind wir am Standort Karlsruhe ein agiles Software-Unternehmen mit rund 40 Kollegen, davon hauptsächlich Ingenieure. Im Gesamten sind wir ein sehr internationales und vielfältiges Team. Zu unserem Business gehört die Software für die Industrie. Themen wie Industrie 4.0¹ und IIOT² sind für uns zukunftsrelevante Themen.
Welche Position hast du? Was sind denn deine Aufgaben?
Ich bin für alle Themen rund um den HR-Bereich verantwortlich. Meine Tätigkeiten drehen sich z.B. rund um das Recruiting und Employer Branding. Also, dazu zählt vor allem die Arbeitgeberkultur, was uns als Firma ausmacht. Auch Mitarbeiter-Benefits, Social Media für die Arbeitgebermarkenbildung gehören dazu- was ja besonders heutzutage die Leute anzieht.
Individuelle Mitarbeiterbetreuung spielt ebenso eine große Rolle sowie Personalentwicklung. Ich bin mit Kolleg*innen im Austausch über Ihre Work-Life-Balance, Performance und bin gerne auch Sparring-Partner.
Außerdem spielt für mich das Thema „Transformation der neuen Arbeitswelt“ immer eine wichtige Rolle. Es geht um die Frage, wie sich unser Unternehmen in der Zukunft weiter verändern wird. Zum Beispiel hierarchiefreies Arbeiten- hinsichtlich dessen haben wir Führungskräfte und starre Strukturen und Prozesse abgeschafft.
Das klingt als ein sehr vielfältiges Aufgabenspektrum. Aktuell arbeitest du ja im Home-Office, darum geht es heute im Interview besonders! Hattest du davor schon einmal Erfahrungen damit?
Ja, Erfahrungen hatte ich davor schon, allerdings legte ich nur mal bei mehr oder weniger privaten Notwendigkeiten einen Home-Office Tag ein oder wenn ich mich für strategische/konzeptionelle Arbeiten mal einen Tag wegschließen wollte. Das war sehr selten, so alle paar Monate mal.
Dann war es wohl eine große Umstellung in diese Arbeitsvariante. Sandra, nicht nur wir Student*innen, Lehrer*innen oder Dozent*innen bekommen diese Sprüche immer mal wieder zu hören, sondern auch du hast sicherlich schon einmal ähnliche Sätze gehört: „Die Leute im Home-Office haben es gut, da ist das Arbeiten doch entspannt.“ Wie stehst du zu solchen Aussagen?
Ja, ich kenne diese Vorurteile auf jeden Fall. Von zuhause aus arbeiten klingt erstmal auf den ersten Blick toll. Länger schlafen, früh Feierabend machen, frisch kochen, gemütlich zwischendurch einen Kaffee trinken … Die Realität (bei mir) sieht oft anders aus. Von einem online-Meeting zum anderen und auch im Homeoffice müssen die Dinge getan werden. Ich schätze die Arbeitsweise sehr, könnte mir auch keine anderen mehr vorstellen: Flexibilität, Selbsteinteilung der Arbeit, Work-Life-Balance. Natürlich kann ich zwischendurch auch private Termine wahrnehmen und mal die Waschmaschine anschmeißen. Das können Arbeitnehmer mit anderen Arbeitszeitmodellen nicht, aber dafür sitze ich auch mal abends am Laptop und hole den Mittag wieder auf. Die Arbeit und das Privatleben sind weniger getrennt und deswegen braucht es eine gewisse Selbstdisziplin, um das gesund umzusetzen. Für uns als Firma ist die Work-Life-Balance wichtig und hat einen hohen Stellenwert. Wir achten bei allen Kolleg*innen darauf.
Dann kommen wir mal direkt zu deinen Kolleg*innen: Arbeiten diese auch im Home-Office?
Seit März 2020 sind wir alle im Home-Office. Bevor die Regierung im ersten Lockdown in der Pandemie anfing Entscheidungen zu treffen, beschlossen wir als Firma, das Risikomanagement anzustoßen. Wir haben seither auch die Kolleg*innen nicht ins Büro zurückgeholt, weil wir keine Schwierigkeiten in der virtuellen Zusammenarbeit haben und wir für die Kolleg*innen nichts riskieren wollten. Es wurden also direkt Regeln festgelegt. Als Software-Unternehmen sind wir ja sowieso sehr digital unterwegs und wollten das Soziale von Anfang an nicht verlieren, so haben wir alle die Kamera an. In der Software-Entwicklung arbeiten wir agil mit Scrum. Man plant ein Kundenprojekt in Teilaufgaben und das Sqaud (Team) trifft sich regelmäßig in Meetings (z.B. Daily). Vor der Pandemie haben wir es immer vor Ort gemacht, also an sogenannten „Scrumboards“, die sind sowas wie Whiteboards. Jetzt haben wir auch diese Details alle virtuell.
Bei uns gibt es außerdem ein digitalisiertes Arbeitszeitkonto, welches jeder selbst führt. Als HR-Managerin habe ich da nochmal einen übergreifenden Blick. Ich schaue mir die Konten der Kollegen zwar an, jeder sollte aber eigenverantwortlich drauf achten.
Das heißt, ihr habt auch so etwas wie ein Gleitzeit-Konto?
Wir haben keine Kernarbeitszeit, wo man arbeiten muss. Normalerweise kann man bei uns zwischen 6 und 21 Uhr flexibel arbeiten, doch aktuell drücke ich hier mehr ein Auge zu. Gerade Eltern zum Beispiel, verlegen durch Homeschooling die Arbeitszeiten auch mal nach hinten. Besondere Umstände erfordern hier einfach Toleranz und Verständnis gegenüber der Kolleg*innen. Wir haben dann ein Gleitzeit-Konto wo es ermöglicht wird, neben Urlaub weitere Freizeit zu realisieren. Man kann einfach mal früher Feierabend machen oder auch ganze Tage frei nehmen. Selbst wenn man keine Gleitzeit hat, kann man bei uns in die Minus-Gleitzeit. Manchmal erfordert das einfach das Privatleben und dem wollen wir als Arbeitgeber entgegen kommen ohne Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis.
Das ist eine sehr humane Einstellung. Du führst auch immer wieder Bewerbergespräche. Wie laufen diese ab?
Vor der Pandemie gab es Erstgespräche mit Bewerbern immer am Telefon und dann erst vor Ort. Durch die Pandemie wurde es zu einem kompletten digitalen Recruiting-Prozess. Bei uns kann man sich mit der Videobewerbung bewerben oder über sämtliche digitale Kanäle. Telefonate entfallen komplett, mit jedem spreche ich via Videoanruf über das Programm „MS-Teams“. Dies ist durch die Pandemie alles total verständlich geworden. Im ersten Gespräch erzähle ich erstmal viel darüber, wie wir ticken. Es ist uns wichtig, dass sich jemand bewusst für uns entscheidet. Wir sind nämlich nicht wie viele andere Unternehmen.
Ist ein Gespräch via Videoanruf anders als ein direktes Gespräch vor Ort?
Es kommt darauf an. Ich finde es schon einen Unterschied, ob ich einen Menschen persönlich kennenlerne. Mimik und Gestik entfallen hauptsächlich im virtuellen. Aber der weitere Prozess läuft dann so ab: Die Fachbereichs-Kollegen können nach dem Erstgespräch den Bewerber kennenlernen. Wir treffen Entscheidungen gemeinsam und nicht wie oftmals sonst in anderen Unternehmen die Führungskraft allein. Im finalen Bewerbergespräch treffe ich mich mit einem weiteren Kollegen und dem Bewerber (auf Wunsch unter Einhaltung der Hygienebestimmungen natürlich) auch in der Firma persönlich. Wir zeigen dann unser Office. Man möchte ja auch erfahren, wie der neue Arbeitsplatz aussieht – auch wenn Home-Office erstmal in der Tagesordnung ganz oben steht.
Sicherlich feiert ihr auch Firmenfeste, After-Work-Events und Ähnliches. Kannst du uns erzählen, wie ihr solche Feierlichkeiten unter diesen Umständen zelebriert habt?
Gerade hatten wir den digitalen Escape-Room.
Bei unserer Weihnachtsfeier zum Beispiel, bekam jeder einen Lieferando-Gutschein und wir aßen unser Essen bei netten Gesprächen zusammen vor dem Bildschirm – ein selbst ernannter DJ hat dann das weitere Programm in die Hand genommen. Außerdem hatten wir auch schon digitale Glühweintreffs und führen auch verschiedene Spieleabende durch.
Small-Talk ist bei uns sehr wichtig. Nicht nur formale Meetings, auch Flurgespräche und zufällig mal einen Kollegen am Kaffeeautomaten treffen, entfallen jetzt ja vor Ort, deswegen haben wir auch „Meet and Talk @Kaffeemaschine“ eingeführt. Ich würfle dabei einfach online Leute zusammen und schicke sie in verschiedene, digitale Räume. Dadurch fühlt es sich wie einen zufälligen Kaffee-Smalltalk an. Oft sehen sich dann auch Kollegen, die sonst weniger miteinander zu tun haben.
Man merkt, ihr nutzt die Chancen der Digitalisierung! Da wäre meine Frage jetzt noch: Wie fühlt ihr Mitarbeiter euch im Gesamten denn mit der Situation? Seht ihr das alles als Chance für eine neue Arbeitswelt?
Erst kürzlich habe ich eine Umfrage dazu gemacht. Die Meinungen aller sind mir sehr wichtig für das allgemeine Wohlbefinden. Die einen fühlen sich im Home-Office total wohl, wollen gar keine andere Arbeitsweise mehr und die anderen vermissen auf jeden Fall auch die Normalität und das soziale Umfeld am Arbeitsplatz.
Wir überlegen, wie die Arbeitswelt nach der Pandemie aussehen wird. Definitiv werden wir auch im Home-Office bleiben, eben die genannten Chancen und positiven Aspekte, die wir daraus bisher ziehen konnten, nutzen. Es könnte so aussehen, dass wir 1-2 feste Anwesenheitstage haben und sonst flexibel sind.
Eine wichtige Aufgabe in deinem Leben, ist natürlich auch die als Mutter. Du hast einen zweijährigen Sohn und bist verheiratet.
Arbeitet dein Mann auch im Homeoffice?
Ja, auch in Vollzeit und ebenfalls im Personalbereich. Wir haben beide eine gewisse Verantwortung im Job und sind stark eingebunden (u.a. in Onlinemeetings).
Das heißt, ihr beide arbeitet und euer Sohn geht in den Kindergarten? Oder wie kann man sich das vorstellen?
Wir warten seit zwei Jahren auf einen freien Platz im Kindergarten, das ist teilweise sehr frustrierend. Der erste Lockdown war deshalb schon hart. Wir haben fast 3 Monate auf familiäre Unterstützung verzichtet, weil wir die Gefahr von Corona noch nicht einschätzen konnten. Positiv ist aber, dass mein Sohn mittlerweile einen Platz bei einer Tagesmutter erhalten hat und dadurch wenigstens ab und an für ein paar Stunden mit Kindern in seinem Alter spielen kann. Das Leben und Arbeiten brauchen viel Organisation und Absprache innerhalb der Familie. Wir haben nur einen Arbeitsplatz – wer darf das Büro an welchem Tag nutzen und wer sitzt am Esstisch? Wer zieht morgens das Kind an und wer bringt das Kind in die Betreuung und holt es ab? Wer kümmert sich an welchem Tag um Einkäufe und Kochen? Das Ganze ist nicht immer einfach.
Kannst du uns auch noch erzählen, wie du auch mal eine Pause einlegst und deinen Ausgleich im Alltag findest?
Der Ausgleich ist wirklich sehr wichtig. Ich persönlich reflektiere immer selbst wie es mir geht.
Zum Beispiel bringe ich meinen Sohn morgens zu Fuß zu der Tagesmutter und genieße bewusst den Spaziergang an der frischen Luft – trotz dass ich um 8:30 Uhr schon das erste Meeting habe und zuvor Kind und mich selbst fertig machen muss. In der Mittagspause habe ich mir jetzt vorgenommen auch wieder mehr joggen oder spazieren zu gehen und einmal die Woche gehe ich zu meinem Pferd. Außerdem mache ich (zu selten) zuhause Workouts und bei extremen Stress auch mal autogenes Training, um zur Ruhe zu kommen. Letztendlich muss jeder für sich den richtigen Weg finden, dafür gibt es keinen pauschalen Plan.
Sandra, die La-Uni bedankt sich sehr für die Zeit und wir wünschen dir und deinem Unternehmen sowie deiner Familie weiterhin viel Glück und auch Freude in eurer aktuellen Lebenssituation.
Texterläuterungen
¹ Industrie 4.0: Intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie.
² IIOT: „Industrial Internet of Things“ oder auch „Das Internet der Dinge im industriellen Umfeld“
Du willst mehr über CodeWrights erfahren?
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https://www.instagram.com/codewrights/?hl=de
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